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Ein Bericht von Hamza Mahmood aus Buxtehude über das Hike & Survive im Odenwald

Hamza Mahmood
Majlis Buxtehude
Im Namen Allahs des Gnädigen, des Barmherzigen

Assalam-o-Alaikum wa Rahmatullahi wa Barakatohu.
Ein Bericht von Hamza Mahmood aus der Majlis Buxtehude über das Hike & Survive im Odenwald.

Der Reisebus hielt pünktlich um 3:30 Uhr Nachts am Frankfurter Hauptbahnhof. Gemeinsam mit drei weiteren Khuddam aus Buxtehude stieg ich aus, um meine Umgebung in Augenschein zu nehmen. Kaum hatte ich mich orientiert, lief ein Khadim aus der Jamaat Offenbach auf uns zu und zeigte auf sein Auto. Ich gab einen Seufzer der Erleichterung von mir. Mein Qaid sahib, welcher auch zur Reisegruppe gehörte, hatte es tatsächlich geschafft uns einen Transport Richtung Odenwald zu organisieren und wir mussten uns nicht mit der örtlichen Regionalbahn und ihrem Nachtfahrplan herumschlagen. Obwohl mich während der einstündigen Autofahrt immer wieder die Müdigkeit überkam, konnte ich nicht anders als erstaunt und verblüfft darüber zu sein, dass wir einer Jamaat angehören, in der es möglich war, dass ein junger Mann seinen Schlaf dafür opfert, vier völlige Fremde ohne Gegenleistung mitten in der Nacht durch die Gegend zu fahren.

Als wir am nächsten Morgen für das Fajr-Gebet geweckt wurden, brauchte ich einen Moment, um zu realisieren, dass wir uns im Namaz-Zentrum der Jamaat Groß Umstadt befanden, wo unsere nächtliche Reise geendet hatte. Von hier aus war der Treffpunkt für das „Hike and Survive“-Programm nur wenige Minuten entfernt. Weitere Brüder, die aus ganz Deutschland angereist waren, beugten sich hoch und befreiten sich aus ihren Schlafsäcken, um zur Gebetsvorbereitung Richtung Badezimmer zu taumeln. Noch wusste keiner, dass dies nicht die letzte schlaflose Nacht sein würde.

Einige Stunden später begann das Programm und wir versammelten uns am Treffpunkt im Odenwald. Alle Teilnehmer erhielten Namensschilder und wurden in insgesamt drei Gruppen mit je einem Gruppenleiter eingeteilt. Meine Brüder aus Buxtehude und ich wurden in Gruppe C eingeteilt. Nach dem Tilawat und einigen sehr knappen einführenden Worten der Coaches und einer kurzen Vorstellungsrunde wurde uns ein Text mit einem Szenario und den Regeln des Camps gegeben. Das Szenario beschrieb einen Notzustand, in den wir uns gedanklich versetzen sollten, in welchem Ressourcen wie Nahrung, Strom, Wasser etc. nur knapp vorhanden waren. Außerdem sollte jeder stets einen Notfallrucksack griffbereit halten, falls eine plötzliche Evakuierung simuliert werden würde. Dieser sollte nicht zu schwer gepackt sein und nur das Nötigste zum Überleben beinhalten.

Nachdem das Szenario und die Regeln verinnerlicht wurden, konnten wir gruppenweise unseren Proviant für die nächsten eineinhalb Tage abholen. Zu dem Essen bekamen wir noch diverse Gewürze dazu sowie einen Camping-Kocher mit Kochgeschirr. Dazu bekam jeder ein Survival-Set mit Feuerstahl, Messer, Taschenlampe und vielem mehr. Das Set hatte qualitativ hochwertige Produkte und machte den Eindruck, bei einem Notfall tatsächlich hilfreich sein zu können.

Anschließend sollte jeder sein Zelt für die Übernachtung aufbauen. Nachdem einer der Coaches uns beispielhaft den Zeltaufbau demonstriert hatte, verlief das Aufbauen rasch und reibungslos. Die Zelte wurden alle akkurat nach einem Rastermuster angeordnet, wobei die Coaches penibel auf die Position achteten und erst nach Begutachtung jedes einzelnen Zeltes die Erlaubnis zur Verankerung, mittels der Heringe, gaben.

Nachdem die ganzen organisatorischen Angelegenheiten und Vorbereitungen bewältigt waren, begann die erste große Herausforderung des Programms, die Wanderung. Wir bekamen einen Kompass und eine Karte der Strecke, die durch den Wald abzulaufen war. Eine kurze Einweisung über das Kompasslesen und schon waren wir auf uns allein gestellt. Ein Coach hat unsere Gruppe begleitet, würde uns jedoch keine Fragen zur Strecke beantworten und jede Fehlentscheidung bei der Routenwahl hatte Konsequenzen für unsere Gruppe. Bereits bei der ersten Abzweigung diskutierten wir in der Gruppe heftig über den Weg, der zu wählen war, bis der Gruppenleiter letztendlich eine Entscheidung traf. Ich schielte zu unserem Coach hinüber und versuchte in seinem Gesicht zu lesen, ob wir die richtige Wahl getroffen hatten. Er hatte jedoch sein Pokerface aufgesetzt und ließ keine Regung erkennen. Nach einigen Hundert Metern rief der Coach „Stopp!“ und wir hielten alle an. Wir wussten, wir hatten die falsche Abzweigung gewählt und würden die komplette Strecke bis dahin wieder zurücklaufen müssen. Ab dem Zeitpunkt begriff ich, dass wir wirklich auf uns allein gestellt waren und uns nicht mehr allzu viele Fehler erlauben lassen dürften, um nicht völlig erschöpft und fertig aus der Sache herauszukommen.

Mit noch mehr Entschlossenheit und Willen den Weg diesmal ohne die Hilfe vom Coach zu finden, liefen wir weiter. Zu weit. Die Abzweigung, die auf der Karte eingezeichnet war, hätte schon lange erscheinen müssen, wir sahen jedoch keine auf unserem Weg und liefen wieder einmal viel zu weit, bis der Coach uns erneut anhielt. Wir mussten einen großen Teil der Strecke wieder zurücklaufen und uns durch unwegsames Gelände abseits des Wanderweges schlagen, um der Route auf der Karte zu folgen. Die Lektion für und war also, dass der markierte Weg auf der Karte nicht nur den gängigen Wanderwegen entlang lief, die offensichtlich zu erkennen waren.

Zwei weitere „Stopp“-Rufe unseres Coaches später hatten wir noch mehrere Kilometer vor uns und die Zeit bis zum Mittagsgebet wurde knapp. Diesmal wollte der Coach uns nicht freiwillig verraten, welche Abzweigung die Richtige gewesen ist, wir sollten im Gegenzug unsere Karte abgeben. So prägten wir uns den weiteren Verlauf der Route so gut es ging ein und zeichneten einen Teil der Karte provisorisch ab und machten uns weiter auf den Weg. Erstaunlicherweise lief es ziemlich gut, da wir uns markante Stellen gemerkt hatten und so den Weg relativ einfach fanden.

Da die Zeit immer knapper wurde, mussten wir uns beeilen und der Coach trieb uns an, die restliche Strecke im Laufschritt weiterzuwandern. Erschöpft und ohne Karte mühten wir uns also ab, die Strecke so schnell wie möglich hinter uns zu bringen, dabei jedoch möglichst keine Fehler zu machen, die uns zusätzlich Zeit und Energie kosten würden. Zu allem Überfluss begann es zu nieseln und ich spürte bereits die ersten Blasen an meinen Zehen entstehen.

Dank Regenponcho und der Karte, die wir unterwegs zurückerhalten hatten, schafften wir es schließlich jedoch wieder das Lager wieder zu erreichen. Erschöpft bereiteten wir uns für das Gebet vor, um im Namaz wieder neue Kraft für die anstehenden Herausforderungen des Survival Camps zu tanken. Der nächste Punkt war das Zubereiten von Nahrung mithilfe der anfangs erhaltenen Zutaten und Ausrüstung. Wir kochten eine Art Bohnensuppe und machten dazu unser eigenes Fladenbrot. Die besondere Erfahrung gemeinschaftlich mit den Brüdern der Gruppe die Zutaten vorzubereiten und auf dem selbst entfachten Feuer zu kochen, machten den faden Geschmack unserer Speise fast wett.

Ein absolutes Highlight für mich beim Survival Camp waren die beiden Rehe, die für uns geschossen wurden. Wir konnten bei der Häutung und Zubereitung auf dem Lagerfeuer helfen und anschließend vom Rehfleisch kosten. Besonders interessant waren die Ausführungen über das Dasein als Jäger und die verschiedenen Jagdtechniken und worauf bei der Jagd alles zu achten war. Als es langsam dunkel wurde, kam auch Sadr sb. Khuddam-ul-Ahmadiyya uns besuchen und saß mit uns am Lagerfeuer und wir diskutierten bei brüderlicher Atmosphäre bis in die Nacht hinein über den Zweck der Khuddam-ul-Ahmadiyya und unsere Aufgaben in der Gesellschaft. Dabei sprach Sadr sb. der Reihe nach jeden einzelnen von uns an, stellte Fragen und wollte Rückmeldung über unsere Gedanken zum bisherigen Programm einholen. Es war einer dieser besonderen Momente, die einem unvergesslich in Erinnerung bleiben.

Am nächsten Morgen verrichteten wir gemeinsam das Fajr-Gebet und gingen wieder in die Zelte, um noch etwas Schlaf zu bekommen. Nach dem Zuziehen meines Zelteingangs schaute ich nochmal in meinen Notfallrucksack und ging sicher, dass dieser griffbereit war. Das Schlimmste ahnend, schloss ich die Augen.

Zwei ohrenbetäubende Schüsse zerrissen die Stille der Nacht. Hellwach saß ich fertig angekleidet, mit geschultertem Rucksack bereit in meinem Zelt als die Sirene erklang und alle Campteilnehmer aus ihrem kurzen Schlaf riss. Meine Vermutung hatte ich sich bestätigt, das Szenario hatte begonnen. Die Coachingteilnehmer schwärmten aus ihren Zelten. Einige waren hellwach und in voller Alarmbereitschaft, andere wiederum desorientiert und schlaftrunken. Die Gruppenleiter bekamen ein kurzes Briefing von den Coaches und verteilten Aufgaben innerhalb ihrer Gruppe. In dem fiktiven Szenario sind Angreifer in das Camp eingedrungen und hatten einen Unschuldigen mit Schüssen verletzt. Die Aufgabe unserer Gruppe bestand darin, das Camp zu sichern und bei Erkennen jeglicher Gefahr Alarm zu schlagen. Die anderen beiden Gruppen liefen derweil in den Wald und versuchten den Verletzten zu finden und ins Camp zurück zu transportieren und dann versorgen zu lassen. Die Suche gestaltete sich jedoch schwer, sodass auch Mitglieder unserer Gruppe als Verstärkung zum Suchtrupp zugezogen wurden. Ich half also bei der Suche mit und schließlich fanden wir die verletzte Person am Rande eines Waldweges. Auf einer provisorischen Tragevorrichtung aus einer Plane wurde die Person aus dem Wald transportiert. Es waren genug Träger da um die Plane zu heben, daher half ich dabei den Rettungsweg von herumliegenden Hindernissen zu befreien, damit die Gruppe ungehindert durch das unwegsame Gelände hinausfand. Schließlich schafften wir es, die verletzte Person zum Camp zu bringen und das Szenario galt als bestanden. Die Coaches gaben uns Feedback zu unserer Vorgehensweise und ich hatte den Eindruck, dass es im Großen und Ganzen nicht schlecht gelaufen war, wenn man die Umstände betrachtet.

Zum Abschluss wurden von den Coaches Stationen aufgebaut, die wir der Reihe nach ablaufen konnten, in denen verschiedene Fähigkeiten und Techniken erklärt wurden, die wir üben konnten. Dabei waren ein Schießtraining mit Luftgewehr und Armbrust, eine Auffrischung vom Erste-Hilfe-Kurs, und eine Station zur Feuerentfachung mittels Feuerstahl. In den Stationen, die zeitlich leider sehr knapp bemessen waren, sind die Coaches das erste Mal richtig aufgetaut und haben viel Know-How weitergeben können und aus dem individuellen Erfahrungsschatz berichten können. Jeder Coach hatte sein Spezialgebiet und es hat Spaß gemacht zuzuhören und Fragen bei den Stationen zu stellen.

Zum Schluss wurde die Veranstaltung mit dem gemeinsamen Dua abgeschlossen und alle konnte ihre Heimreise antreten. Jazakumullah an die Organisatoren und Coaches und alle Brüder, die am Programm teilgenommen haben und es so einzigartig gemacht haben, wie ich bisher nur wenige Veranstaltungen erlebt habe.

Wassalam
Khaksar
Hamza Mahmood
Majlis Buxtehude