Am Rand des Universums: Gedanken über Yaumu’l-Qiyāmah und die Schöpfung

Autor: Laieb Ahmad

Meine Mulaqat-Frage zum Kosmos und Yaumu’l-Qiyāmah (Der Tag der Auferstehung)

Es gibt Momente, in denen man spürt, dass eine Frage, die lange im Kopf gereift ist, plötzlich ihren richtigen Ort findet. Für mich war so ein Moment unsere Mulaqat am 26.10.2025, in der ich die Gelegenheit hatte, Hudhur-e-Aqdas (ABA) eine Frage zu stellen, die mich seit meiner eigenen kleinen Recherche zum Ende des Universums beschäftigte.

Ich wollte verstehen, wie der Islam und ganz konkret der Begriff Yaumu’l-Qiyāmah zu den großen kosmologischen Szenarien steht, die in der modernen Astrophysik diskutiert werden: Heat Death (ein ewiges Auskühlen und Verwaisen des Kosmos), Big Crunch (ein späterer Zusammensturz des Universums) und weitere Modelle, die zwischen diesen Extremen liegen.

Warum mich dieses Thema überhaupt so gepackt hat

Das Universum hat mich ehrlich gesagt schon seit meiner Kindheit fasziniert. Dieses Gefühl, in den Himmel zu schauen und zu wissen, dass hinter dem, was wir sehen, eine unvorstellbare Weite liegt, Galaxien, Sterne, Zeiten und Gesetze, die unseren Alltag komplett übersteigen, hat mich nie losgelassen. Je älter ich wurde, desto stärker wurde auch der Wunsch, nicht nur zu staunen, sondern zu verstehen. Mit der Zeit habe ich gemerkt, dass diese Faszination für mich nicht nur wissenschaftlich ist, sondern auch spirituell. Der Blick in die Schöpfung erinnert mich immer wieder daran, wie klein der Mensch ist und wie groß Allahs Macht und Weisheit sind.

Wenn ich mich mit den gigantischen Geheimnissen des Kosmos beschäftige, wächst in mir eine besondere Motivation. Es ist eine Mischung aus Neugier, Ehrfurcht und innerem Antrieb, weiter zu lernen. Gerade weil die Wissenschaft hier noch so viele offene Fragen hat, hat mich das Thema nie kaltgelassen. Im Gegenteil: Es verstärkt mein Gefühl, dass der Glaube nicht im Widerspruch zum Denken steht, sondern es sogar veredeln kann. Und irgendwo in diesem Staunen tauchte bei mir mit der Zeit auch eine sehr persönliche Frage auf: Wenn das Universum einen Anfang hat, wie sieht dann sein Ende aus? Und wie ordnet der Islam diese gewaltigen Szenarien ein, besonders im Licht des Begriffes „Yaumu’l-Qiyāmah“? Genau dieser Gedanke hat mich dazu gebracht, meine Frage sorgfältig vorzubereiten und sie schließlich in der Mulaqat an Hudhur-e-Aqdas (ABA) zu richten.

Was bedeutet die Theorie „Big Crunch“ überhaupt?

Der Big Crunch ist ein hypothetisches End-Szenario des Universums. Vereinfacht gesagt bedeutet es:

  1. Das Universum expandiert nicht ewig.
  2. Die Expansion verlangsamt sich irgendwann.
  3. Sie stoppt schließlich.
  4. Und dann beginnt eine Umkehr: Alles zieht sich wieder zusammen.
  5. Am Ende könnte das Universum in einem extrem dichten Zustand „kollabieren“ ,gewissermaßen als Gegenbild zum kosmischen Anfang, dem Urknall.

Ob so ein Szenario realistisch ist, hängt stark davon ab, wie sich die dunkle Energie langfristig verhält.

Die Antwort von Huzur und warum sie mich so bewegt hat

Als ich die Frage stellte, ob und wie diese Szenarien im islamischen Verständnis des Yaumu’l-Qiyāmah einzuordnen seien, hat Hudhur-e-Aqdas (ABA) die Antwort auf eine Weise gegeben, die mich wirklich berührt hat: Klar, ruhig, textnah und zugleich intellektuell öffnend.

In der ausführlichen Antwort von Hudhur-e-Aqdas (atba) hat er den Blick auf Qur’anverse gelenkt, die sowohl den Beginn als auch das Ende des Kosmos thematisieren. Der Qur’an spricht davon, dass Himmel und Erde einst eine Einheit waren und dann getrennt wurden. Konkret heißt es: „Haben die Ungläubigen nicht gesehen, dass die Himmel und die Erde in einem einzigen Stück waren, dann zerteilten Wir sie? […]“ (21:32). Diese Aussage im Heiligen Quran spiegelt haargenau die Theorie des Urknalls wider. Ebenso gibt es Verse, die vom „Zusammenrollen“ oder „Zurückführen“ der Himmel sprechen, Metaphorik, die sich erstaunlich gut neben ein Kollaps-Szenario des Big-Crunchs stellen lassen. So heißt es im Heiligen Quran: „An dem Tage, da Wir die Himmel zusammenrollen werden, wie die Schriftrollen zusammengerollt werden. […]“ (21:105).

Eine Woche später: Wissenschaftliche Hinweise in eine überraschende Richtung

Nach der Mulaqat habe ich ehrlich gesagt aus innerer Aufregung erneut recherchiert. Und ich war überrascht, wie stark sich die öffentliche wissenschaftliche Diskussion in den letzten Monaten verdichtet hat.

Mehrere große Auswertungen und Modelle deuten inzwischen an, dass Dunkle Energie möglicherweise nicht konstant ist, sondern sich mit der Zeit verändert bzw. schwächer werden könnte.1 Sollte sich dieser Trend künftig deutlich bestätigen, wäre das eine echte Verschiebung gegenüber dem lange dominierenden „ewige Expansion“ Narrativ.

Besonders viel Aufmerksamkeit bekam 2025 ein Modell, das Daten aus großen Dark-Energy-Beobachtungen nutzt und zu dem Schluss kommt, dass das Universum nicht unendlich expandieren, sondern langfristig wieder kontrahieren könnte. In diesem Rahmen wird eine Lebensdauer des Universums von grob 33 Milliarden Jahren diskutiert – mit einem möglichen Umschlagpunkt der Expansion in etwa 11 Milliarden Jahren.2

Parallel dazu berichten populärwissenschaftliche Zusammenfassungen über Studien, die nahelegen, dass die Expansion heute weniger stark beschleunigt oder sogar in eine Phase der abnehmenden Beschleunigung übergehen könnte. Das wäre ein weiterer Baustein, der die Big-Crunch-Theorie wieder ernsthaft auf die wissenschaftliche Agenda setzt.3

Was ich persönlich daraus mitgenommen habe

Für mich war diese Mulaqat-Erfahrung in doppelter Hinsicht ein Geschenk:

  1. Intellektuell:
    Ich habe gespürt, dass der Islam keine Angst vor großen Fragen hat. Im Gegenteil: Er ermutigt uns, die Schöpfung zu erforschen und dabei gleichzeitig nicht zu vergessen, dass unser Wissen immer begrenzt bleibt.
  2. Spirituell:
    Die Frage nach dem Ende des Universums wurde für mich zu einer Frage nach meiner eigenen Haltung:
    Bin ich bereit, Allahs Zeichen mit Ehrfurcht zu betrachten?
    Lasse ich mich zu Dankbarkeit, Demut und Verantwortung führen?

Der Yaumu’l-Qiyāmah ist im islamischen Verständnis nicht nur ein kosmischer Endpunkt, sondern ein Tag der Wahrheit, der Gerechtigkeit und der endgültigen Rückkehr zu Allah. Wissenschaftliche Modelle können uns Staunen lehren, aber die spirituelle Bedeutung dieses Tages formt unser Herz und unser Handeln.

Quellen:

1 https://www.reuters.com/science/evidence-mounts-that-universes-dark-energy-is-changing-over-time-2025-03-19/

2 https://news.cornell.edu/stories/2025/10/physicist-after-33-billon-years-universe-will-end-big-crunch

3 https://www.sciencedaily.com/releases/2025/11/251106003209.htm